In der Schweiz haben viele Unternehmen bereits einen Corporate Newsroom eingeführt. Mediamoss durfte schon einige dieser Projekte begleiten. Unterstützung erfahren wir dabei von der Beratungsfirma Binz Consulting aus Winterthur. Deren Gründer Roland Binz ist Experte für Krisenkommunikation. Er hat eine ganz eigene Sicht auf den Corporate Newsroom.

Wie funktioniert gute Krisenkommunikation?
Wirksame Krisenkommunikation muss glaubwürdig sein und Vertrauen schaffen. Das erfordert je nach Art der Krise und Grad des Verschuldens ganz unterschiedliche Botschaften und Massnahmen bei den Anspruchsgruppen. Aus meiner Erfahrung kann ich sagen: Die Mechanismen in Krisen ähneln sich oft, sind aber nie identisch. Einmal hilft Selbstkritik oder gar eine Entschuldigung, ein anderes Mal überzeugende Konsequenz oder sogar ein gesundes Mass an Sturheit. Immer entscheidend sind jedoch Geschwindigkeit, Empathie und Konsistenz in den Botschaften.
Welche Fehler passieren vor allem in der Krise?
Krisen haben meistens eine ungeahnte Dynamik und sind extrem belastend. Die Situation kann sich schnell und laufend verändern. Das führt zu verheerenden Entscheidhemmungen und menschlich natürlichen Reflexen. Konkret heisst das: Es wird mit Kommunikation zugewartet, oder es kommt zu kontraproduktiven Abwehrreflexen. Deshalb lässt sich oft beobachten, dass Persönlichkeiten und Organisationen in Krisen es nicht von Beginn weg schaffen, eine Krisensituation zu entschärfen oder Druck aus einer Geschichte zu nehmen. Im Gegenteil, nicht selten spitzt sich eine Krise durch eigenes, emotional bedingtes Fehlverhalten noch zu.
Und dies lässt sich vermeiden?
Meistens ja. Sicher hilft gute Vorbereitung, vor allem organisatorisch mit kurzen und pragmatischen Prozessen und klaren Entscheidkompetenzen. Eine neutrale Aussensicht kann ebenfalls sehr hilfreich sein. Ich merke das ja im Kleinen bei mir selber: In schwierigen Situationen ist man emotional belastet und sieht oft nicht mehr, welche Entscheide und Botschaften die beste Wirkung erzielen. Und da hat mir die unvoreingenommene Sichtweise meines Büropartners auch schon geholfen.
Kann ein Corporate Newsroom in der Krise helfen?
Das ist ein absolut zentraler Punkt. Ein gut aufgestellter Corporate Newsroom erleichtert die Krisenkommunikation enorm. Es ist viel einfacher, schnell mit allen Zielgruppen und konsistent zu kommunizieren. Dabei lässt sich auch die Frage gezielter beantworten, auf welchen Kanälen der Fokus für die Krisenkommunikation gelegt werden muss. Es nützt wenig, einem Sturm der Entrüstung auf Facebook mit einer Konferenz für Medienschaffende begegnen zu wollen. Sehr oft hilft der Newsroom, aufkommende Feuer im Anfangsstadium zu löschen, bevor sie sich zum Flächenbrand ausbreiten.
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Wo sehen Sie noch Verbesserungspotenzial bei Newsrooms?
Optimalerweise finden im Newsroom meines Erachtens die Unternehmenskommunikation und das Marketing zusammen. Denn oft würde sich ja zum Beispiel die Frage stellen: Müssen wir in einer eskalierenden Krisensituation eine Kampagne stoppen, anpassen oder die Kunden direkt informieren? Noch allzu oft werden Marketing und Unternehmenskommunikation als separate Gärten gepflegt – mit einer besonders dicken Mauer dazwischen.
Und die gilt es abzureissen?
Unbedingt. Auch wenn dies vielerorts aus Tradition noch sehr ungewohnt ist. Da sehe ich bei vielen Firmen und Organisationen riesiges Entwicklungspotenzial, nicht nur für Krisensituationen. Denn dem Publikum ist es doch egal, woher es eine Botschaft empfängt. Da wird nicht differenziert, ob das Unternehmen die Menschen über einen TV-Spot, Online-Kampagne, Web-Content, eine App, Medienberichte oder Sozial-Media-Posts anspricht. Entscheidend ist immer, was bei den Empfängerinnen und Empfängern ankommt. Und Absender ist immer das Unternehmen, egal über welchen direkten oder indirekten Kommunikationskanal.
Was raten Sie Unternehmen zur Vorbereitung?
Ich habe mit dem Newsroom-Prinzip wirklich sehr gute Erfahrungen gemacht, in kleineren wie ganz grossen Organisationen. Das muss gar nicht kompliziert sein und beginnt aus meiner Sicht primär im Kopf. Man darf ruhig einfach anfangen, weiterentwickeln und optimieren. Überhaupt: Weil sich auch Kundenbedürfnisse und Kanäle rasch ändern können, ist das laufende Optimieren heute sehr wichtig. Für die Krisenbewältigung und Kommunikation hilft es extrem, wenn man sich im Fall einer Krise nicht zuerst mit organisatorischen Fragen herumschlagen und Entscheidkompetenzen diskutieren muss. Da geht wertvolle Zeit – und notabene Energie – verloren. Wer sich in ruhigen Zeiten sorgfältig vorbereitet, bewältigt Krisensituationen definitiv mit weniger Aufwand und mehr Erfolg.

Mit seiner Beratungsfirma für strategische Kommunikation unterstützt Roland Binz seit mehr als zwölf Jahren Unternehmen, Organisationen und Führungspersönlichkeiten in Krisensituationen sowie bei anspruchsvollen Projekten wie Reorganisationen oder M&A-Transaktionen. Als Gastdozent vermittelte er Krisenkommunikation an verschiedenen Hochschulen, unter anderem an der Universität St. Gallen (HSG), der Hochschule für Wirtschaft Zürich (HWZ) und der Schweizer Journalistenschule (MAZ). Mehr erfahren Sie unter www.binz-consulting.ch.
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