Autorin: Prof. Dr. Silke Hahn
Die Arbeit am Corporate Newsroom löst Silos auf und bringt viele redaktionelle Entscheider*innen mit frischem Engagement an einen Tisch. Schnell wird erkannt und begrüßt, dass das neue Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile. Eine wesentliche Frage, die sich in Konsequenz ergibt, lautet in vielen Teams: Ist unser Corporate Code geschärft?

Bieten Sie als Versicherungsunternehmen eine Rechtsschutz-Versicherung, eine Rechtsschutzversicherung, eine Rechtsschutz Versicherung oder eine RechtsschutzVersicherung an? Alles ist möglich, die Duden-Norm zugunsten des individuellen Brandings dehnbar. Unternehmensintern sollte die Schreibweise jedoch einheitlich sein, damit die redaktionelle Visitenkarte, die Sie abgeben, eindeutig ist.
So bringt der Corporate Newsroom in der Vorbereitungs- und Designphase alle Inkonsistenzen in der unternehmensinternen Sprachwelt ans Licht, die als „Darum kümmern wir uns, wenn wir Zeit oder einen Werkstudierenden haben“-Eintrag in den to-do-Listen oder Trello-Boards auf ihre (Re-)Aktivierung warten. Nicht überall, sicher. Viele Unternehmen führen Manuals mit klaren Richtlinien zu Schreibweisen, Tonalitäten, Stilistiken und bilden auf diese Weise ihre definierte, hauseigene Sprachwelt ab. Sprache aber lebt, sie entwickelt sich teils nach dem linguistischen Prinzip der „Invisible Hand“ unbewusst und unbemerkt weiter, selbst unter Kommunikationsprofis.
Die Vorbereitungsphase zum Corporate Newsroom bringt Kommunikationsteams zusammen, die darauf brennen, neue Wege zu gehen – und darauf, so einige „Was wir immer schon mal angehen wollten“-Topics aufzugreifen. Dazu gehört auch, den Corporate Code neu bzw. einheitlich auf Kurs zu bringen.
Corporate Code: Von „A“ wie Aktive Verben bis „Z“ wie Zielgruppen-Check
Konzepte wie Corporate Code, Corporate Style oder Corporate Language widmen sich als Bestandteile der Corporate Identity der Frage, mit welchen Faktoren Unternehmen ihre Visitenkarte sprachlich gestalten können. So wie ein Code buchstäblich Türen öffnet, fungiert ein Corporate Code als Eintrittskarte für interne und externe Stakeholder*innen – nur klar und entschlüsselbar muss er sein. Martin Dunkl leitet in seiner Publikation „Corporate Code. Wege zu einer klaren und unverwechselbaren Unternehmenssprache“ (2015) das Konzept „Corporate Code“ plastisch aus der Soziolinguistik ab und gibt einen anschaulichen Überblick über die weiteren erwähnten Ansätze.
Diese Konzepte, in unterschiedlicher Mischung gespeist aus der Linguistik, der Marketingtheorie, dem Journalismus oder der Politikwissenschaft, bilden für Kommunikationsabteilungen den Weg zum Ziel der eigenen Sprachwelt.
Versicherungsunternehmen positionieren sich über ihr sprachliches Profil als „Partner ohne Kleingedrucktes“, städtische Verwaltungen als „bürgernah“. Filigran gestaltete sprachliche Welten wie die des bekannten schwedischen Möbelhauses prägen ein eigenes Idiom mit Duz-Kultur, der Einbindung schwedischer Lexik in internationale Marketing-Kampagnen und der charakteristischen appellativen Kundenansprache. Sozialeinrichtungen schärfen in der Benennung ihrer Stakeholder (Kunden? Patienten? Klienten?) das Bewusstsein für die Relevanz von Sprache im sensiblen Umgang mit den Menschen, die das Unternehmen adressiert. Auch die Antwort auf die Frage „Gendern – und wenn ja, wie?“ zahlt auf den Corporate Code ein.
So startet ein solide geprägter Corporate Code bei einer klar definierten Lexik mit Schreibweisen, Anreden, Grußformeln, führt über Verständlichkeits-Normen (z.B. zu Satzlängen, Bindestrich-Durchkopplungen, dem Umgang mit Anglizismen) bis hin zu identitätsprägenden Stilistiken. Hier prägen Kommunikationsabteilungen komplexe sprachliche Profile, in denen es um Leitvokabeln, Wortfeld- und Zielgruppen-Präferenzen (Du oder Sie?) und Glaubwürdigkeit (Vorsicht vor Floskeln) in der sprachlichen Markenführung geht.
Will ein Kommunikationsteam dies alles als integriertes Konzept für sein Unternehmen auflegen, schafft es Wiedererkennungswert, Identität und Sicherheit für die hauseigenen Textproduzenten. Wichtig ganz besonders für den Corporate Newsroom, der die Unternehmenssprache neu auf den Punkt bringt, Einheitlichkeit schafft – oder aber kanalspezifische Abweichungen von der Regel bewusst, weil vorab durchreflektiert einbindet. Wenn nicht jetzt als Flanke des Corporate Newsroom, wann dann?
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Der Newsroom und der Corporate Code: How to…?
Projektteams, die ihren Corporate Newsroom mit einem Corporate Code stützen und bereichern wollen, laden wir ein, den folgenden „3D“-Prozess umzusetzen:
Diagnose: Welche Ansätze von Corporate Code bilden schon heute unsere sprachliche Leitlinie? Wo ist das Eis dünn, sprich der Sprachgebrauch inkonsistent oder unverständlich? Wo haben wir uns zu sehr auf Einzelvokabel-Reglements konzentriert, hingegen die hauseigene Stilistik zu wenig ausgestaltet – oder genau umgekehrt? Das Bewusstsein der Newsroom-Redakteur*innen für ein starkes gemeinsames Produkt wird durch einen Diagnose-Workshop geschärft, Involvement entsteht. Hier kommen früh die Kanal- bzw. Medienmanager*innen ins Spiel, deren Ohr am Puls des Stakeholders wertvolle Rückkoppelungen liefert.
Diskussion: Im Team geht’s nach der Diagnose in die „Pro und Contra“-Phase. Wie viel Regelwerk brauchen wir? Wo ist Freiheit angesagt, weil es der allgemeine Tonalitäts-Charakter eines Kanals vorgibt, z.B. in den Sozialen Medien? Diese Phase braucht ein gutes Zeitbudget, da eine präzise Diagnose nicht immer zu einheitlichen Commitments führt. Ein gemeinsames Bekenntnis zu einem leitlinientauglichen, aber nicht einengenden Bedarf sollte das Ziel sein. Für Kommunikationsteams bildet dieser Prozessschritt den ersten Probelauf für die Synergien, die den Corporate Newsroom so wertvoll machen.
Definition: Entscheidungen sind gefallen, Themencluster und Untergliederungen können ausgearbeitet werden. Es folgt die Definition des Gesamtkonzepts. Welche Darstellungsform wählen wir für unsere hauseigene Sprachwelt, wo sind Beispiele nötig, z.B. zur Veranschaulichung für neue Mitarbeitende und externe Dienstleistende in den Agenturen? Wer ist künftig für die Qualitätssicherung zuständig? Ist das Newsroom-Team in dieser Phase angelangt, ist ein großer Schritt hin zum „gemeinsamen Ganzen“ getan.

Silke Hahn, Professorin für Unternehmenskommunikation/Public Relations, ist im Mediamoss-Team als Change-Beraterin im Einsatz. Darüber hinaus begleitet sie Zielbild- und Themenplanungs-Workshops und unterstützt, wenn Newsroom-Teams Kommunikationsstrategien und Redaktionsleitlinien neu aufsetzen möchten.
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