Wenn Sie einen Corporate Newsroom einführen, treffen Sie eine mutige Entscheidung. Aber Vorsicht: Die Veränderung ist massiv, und das werden Sie schon beim Aufbau des Newsrooms spüren. Der Change-Prozess kann sogar das gesamte Projekt zum Scheitern bringen. Vor allem dann, wenn Sie fehlerhaft mit Ihren Kollegen kommunizieren.
Der Newsroom ist eine prima Sache. Zeitgemäß, krisenerprobt, digital. Was aber viele Unternehmen vergessen: Auch Kommunikatoren und Marketeers sind nicht frei von Unsicherheit, wenn es um ihren Arbeitsplatz geht. Sie müssen sich daran gewöhnen, in ihrem Berufsleben unterschiedliche Aufgaben zu erfüllen und wechselnde Rollen einzunehmen.
Dieser Gedanke kann schnell Angst und Sorge auslösen: Angst vor Veränderung, einhergehend mit der Sorge vor Kontrollverlust. Wenn Sie also einen Newsroom einführen, müssen Sie konsequent Veränderungskommunikation betreiben – vor allem, wenn es Ihre eigene Abteilung betrifft. Machen Sie sich also am besten früh Gedanken über Change-Kommunikation. Und vermeiden Sie die folgenden Fehler:
1. Keine Transparenz
Man sollte meinen, dass Kommunikatoren besonders gut in ihrer eigenen Abteilung kommunizieren. Wenn Sie einen Newsroom einführen, werden Mitarbeiter hellhörig. Sie wollen wissen, welche Aufgabe sie künftig erledigen, wo ihr Schreibtisch steht und wer ihr Chef ist. Das Problem: Ein Abteilungsleiter muss auch gegenüber der Geschäftsleitung und in vielen Fällen gegenüber dem Betriebsrat transparent informieren. Unter diesen Umständen das richtige Maß und Tempo zu finden, ist nicht allen Kommunikationsleitern gegeben. Die einen laden motivierende Workshop-Protokolle im Intranet hoch, um größtmögliche Transparenz zu leben. Die anderen kommunizieren mit ihren Mitarbeitern äußerst diskret, um ja keine Befindlichkeiten zu berühren.
Der Wunsch nach Transparenz wird erschwert, weil erst die formale Struktur feststehen muss, bevor konkrete Namen an Funktionen und Aufgaben geschrieben werden können. Diese Situation löst Unsicherheit aus und ist für alle Beteiligten belastend. Nur wenn Mitarbeiter selbst intensiv an der neuen Struktur mitarbeiten dürfen, lässt sich dieser Konflikt lösen. Dazu muss der Verantwortliche die Spielregeln eindeutig definieren. Wenn die Abteilung alte Silos auflösen will, dürfen nicht neue Silos das Ergebnis der Newsroom-Einführung sein. Transparenz lässt sich nur leben, wenn der Kommunikationschef mit einem nachvollziehbaren Plan in den Prozess geht – und diesen Plan auch lebt.

2. Zu viel Druck auf dem Kessel
Blinker links und dann Vollgas: So stellt sich manch ein Kommunikationschef ein erfolgreiches Veränderungsprojekt vor. Diese Erwartungshaltung ist falsch. Ansage und Ausführung sind kein Ausdruck von Führungsstärke. Im Gegenteil: Wenn der Chef wie ein Getriebener wirkt, muss er sich nicht wundern, wenn seine Abteilung irgendwann ausbrennt. Klar formulierte Erwartungen und Ziele sind wichtig für den Projekterfolg. Ein Abteilungsleiter muss wie ein Fußballtrainer die Spannung hochhalten. Er darf aber nicht überdrehen.
Er und seine Führungsmannschaft sind gedanklich von Natur aus in strategischen Themen unterwegs. Im Veränderungsprozess sind sie damit in der Regel um ein Vielfaches schneller als ihre operativ arbeitenden Kollegen. Wenn aber die Teammitglieder nicht mehr folgen, verpufft der Effekt des Projekts. Dann werden aus überzeugten Mitarbeitern keine Botschafter einer Idee, sondern frustrierte Befehlsempfänger.
3. Isolierte Verweigerer
Veränderungsprozesse sind kompliziert und anstrengend – für alle Beteiligten. Unter den Mitarbeitern gibt es schnell begeisterte Fans, aber auch zögerliche Mitläufer und Totalverweigerer. Die Fans bereiten einem Abteilungsleiter die größte Freude. Sie beteiligen sich aktiv, melden sich zu jedem Workshop freiwillig und übernehmen mit großer Überzeugung wichtige Aufträge für das Projekt. Auch die Mitläufer bereiten wenig Kummer. Sie halten sich zunächst zurück. Und hoffen, den Veränderungsprozess ohne Blessuren zu überstehen.
Die Verweigerer aber entscheiden über Erfolg und Misserfolg des Projekts. Sie zeigen destruktives Verhalten. Sie sind laut und missmutig. Und vor allem haben sie das Potenzial, die Stimmung in der Mannschaft zu vergiften.
Der größte Fehler, den ein Verantwortlicher in einer solchen Situation begehen kann, ist, diese Mitarbeiter zu ignorieren oder ihnen im Projekt minderwertige Aufgaben zu geben. Das wirkt wie ein Brandbeschleuniger: Die Betroffenen spüren die Ausgrenzung und zeigen das der gesamten Abteilung – in der Kaffeeküche, beim Mittagessen oder in der S-Bahn. Und schlimmstenfalls solidarisieren sich die ursprünglich wohlmeinenden Kollegen mit den Verstoßenen, weil sie deren Behandlung als ungerecht empfinden.
Besser wäre es, die Verweigerer mit anspruchsvollen, aber lösbaren Projektaufgaben zu versehen. Sie sollten die Ergebnisse dem gesamten Team präsentieren. Das werden sie kaum ablehnen, weil sie sich vor der Gruppe keine Blöße geben wollen. Und sie werden für dieses Verhalten Anerkennung bekommen, auch wenn sie bei ihrer ablehnenden Haltung bleiben. Eine Abteilung kann gegenläufige Strömungen aushalten, wenn diese klug moderiert werden. Das setzt indes souveräne Autorität des Kommunikationschefs voraus. Fehlt diese, wird das Veränderungsprojekt zum Albtraum.

4. Kein Sinn für Ästhetik
Am Arbeitsplatz verbringen Menschen einen großen Teil ihres Lebens. Es gibt also gute Gründe, diesen Ort besonders anspruchsvoll zu gestalten. Es ist eine Investition in Qualität.
Ein langweiliger, schäbiger Arbeitsplatz produziert langweilige, schäbige Ergebnisse. Menschen, die bei der Arbeit nicht lachen, lassen das ihre Gesprächspartner spüren – innerhalb und außerhalb des Unternehmens. Die Gestaltung des Arbeitsplatzes spielt bei Veränderungsprojekten eine herausragende Rolle. Zumindest in den Augen der Mitarbeiter, die sich viele Fragen stellen:
- Wo werde ich arbeiten?
- Mit wem werde ich zusammensitzen?
- Oder vielleicht sogar stehen?
- Werde ich einen eigenen Schreibtisch haben?
- Wie wird dieser aussehen?
- Werde ich im Home Office arbeiten können?
Die Betroffenen interessiert das brennend. Daher wäre es wünschenswert, wenn auch der Kommunikationschef dieses Interesse teilte. Ästhetik, gute Luft, schöne Farben, Kunst und schicke Möbel wirken positiv auf Menschen – und die Ergebnisse, die sie an ihrem Arbeitsplatz erzielen. Wer das vergisst, begeht einen schweren Fehler.
5. Der politische Kompromiss
Unternehmen können Orte sein, an denen Intrigen, Seilschaften und Klüngelwirtschaft zur gelernten Kultur gehören. In einem solchen Klima könnten Kommunikationschefs geneigt sein, im Veränderungsprozess den politisch gewollten Kompromiss zu suchen. Im Spiel mit der mächtigen Geschäftsleitung könnten sie ein Ergebnis anstreben, das im Zweifel die eigene Karriere sichern soll.
Mitarbeiter aber wollen Führungskräfte mit Charisma. Wer als Kommunikationschef sein Glück in Marathon-Meetings mit der Geschäftsleitung sucht, ohne dabei zählbare Ergebnisse für die Abteilung zu erzielen, verliert an Akzeptanz in der eigenen Mannschaft. Etwa bei der Frage, wie viele Abstimmungsschleifen notwendig sind, um künftig Texte für die Kommunikation freizugeben. Oder wie sehr Fachabteilungen bei der Farbgebung von Infografiken mitregieren dürfen. Nur ein Newsroom, der seine eigenen Abläufe im Griff hat, kann dazu Forderungen stellen. Ein Abteilungsleiter, der es schafft, dieses Procedere zu verschlanken, wird sich viel Anerkennung bei seinem Team verdienen. Zu Recht.
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