In meiner Zeit beim Handelsblatt habe ich mich rund um den Jahreswechsel immer um die Sonderausgaben gekümmert. Es ging um herausragende Ereignisse, wichtige Menschen und bedeutende Themen. Wenn ich diese Denkweise heute auf den Corporate Newsroom übertrage, sehe ich bestimmte Parallelen. Die Dinge ändern sich. Und manchmal verstetigen sich Entwicklungen. Es ist deutlich zu erkennen, dass Konzerne den Corporate Newsroom nun auch für Marken einsetzen. Dass internationale Teams integriert werden. Und dass Unternehmen ihren Newsroom einem Schulterblick unterziehen. Ich möchte hier meine Gedanken für das Jahr 2022 mit Ihnen teilen. Dabei geht es vor allem um Content-Strategie und um das Schreiben.

1. Ohne Content-Strategie kein Newsroom
Warum entscheiden sich Unternehmen, einen Corporate Newsroom einzuführen? Sie wollen ihre Content-Strategie in die Praxis umsetzen.
Schön wäre es. Tatsächlich haben viele Unternehmen gar keine Content-Strategie. Und oft haben sie auch keine Strategie für ihre Kommunikation. Themenplanung, Gewichtung von Inhalten und Priorisierung finden häufig nicht statt. Das ist über Jahre nicht aufgefallen, weil die herkömmlichen Silostrukturen dieses Defizit wunderbar kaschiert haben. Die Pressestelle kümmerte sich um die Journalist:innen, die interne Kommunikation um die Belegschaft, Social Media um alle möglichen Zielgruppen, und das Marketing unterstützte im Zweifel den Vertrieb. Dass dies in der Regel ungeplant und oft auf Zuruf geschah, schien nicht weiter tragisch.
Mit der Digitalisierung und all ihren Begleiterscheinungen wird dieses Defizit nun offensichtlich. Denn einer der Gründe, warum Kommunikation in vielen Unternehmen nicht funktioniert, ist die grundsätzliche Frage nach dem Sinn: Kommunizieren wir, um unsere Fachabteilungen glücklich zu machen? Oder wollen wir dem Unternehmen und seinen Zielgruppen dienen?
Tatsächlich sollten Marketing und Kommunikation einen Beitrag zur Steigerung des Unternehmenswerts liefern. Sie sollten also strategisch gedacht werden. Vielen Verantwortlichen wird dies gerade bewusst. Der Newsroom denkt vom Thema aus. Und deshalb hat der Aufbau eines Corporate Newsrooms auch immer mit der Entwicklung einer Content-Strategie zu tun. Die Ziele sind entscheidend. Dies wird im neuen Jahr vielen Beteiligten klar werden. Und das ist gut!
2. Wir brauchen gute Schreiber:innen
Themenmanagement ist ein großes Wort. Dazu gehört die Eigenschaft, Themen zu erkennen und sie idealerweise auch in Worte zu fassen. Dummerweise haben viele Unternehmen den Wert von guten Texten über Jahre vernachlässigt. Content Marketing braucht Inhalte. Es klingt so naheliegend, dass sich die Frage stellt, wie Marketing in der Vergangenheit ohne Inhalt funktionieren konnte.
Kampagnen laufen nur mit guten Geschichten. Dramaturgisch sauber inszenierte Abläufe, die spannend erzählt sind. Irgendjemand muss sich allerdings diese Geschichten ausdenken und aufschreiben. Genau dies ist die Aufgabe von Themenmanager:innen im Newsroom. Gemeinsam mit Video, Foto und Podcast gehören gute Texte zu den Treibern für erfolgreiches Content Marketing.
Viele Unternehmen haben lange Zeit keinen gesteigerten Wert auf Schreibausbildung gelegt. Die Konzeption war wichtig, das Design, manchmal auch Kennziffern für das Controlling. Aber Sprache? Gute Schreiber:innen wurden über Jahre belächelt – eine Haltung, die nun aufbricht. Die Bedeutung handwerklich guter Texte wird steigen. Und damit auch die Bedeutung des Schreibens.
3. Newsrooms benötigen einen Schulterblick
Der Corporate Newsroom ist erfreulicherweise schon weit verbreitet. Und obwohl viele Gründe für die Einführung dieser Struktur sprechen, ist der Erfolg nicht zwingend garantiert. In der Regel haben die Beteiligten handwerkliche Fehler bei der Einführung begangen, was nicht selten zu Frust im Team führt. Aus diesem Grund werden sich Unternehmen einem Schulterblick unterziehen. Die gute Nachricht ist: In vielen Fällen lassen sich damit die handwerklichen Fehler reparieren. Auf einige davon möchte ich hier kurz eingehen.
Ein Bauteil passt nicht
Wenn ein Corporate Newsroom scheitert, dann liegt häufig ein Strukturfehler vor. Im übertragenen Sinne würden wir sagen, dass ein Bauteil nicht passt. In der Regel haben sich die betroffenen Unternehmen nicht getraut, einen ernsthaften Wandel einzuleiten. So haben sie nach wie vor Doppelbesetzungen zwischen Themen- und Medienmanagement eingeplant. Dies kann ein Team schnell überfordern, weil nicht klar ist, welche Erwartungen genau erfüllt werden müssen. Ein fehlendes Bauteil kann auch die nicht besetzte CvD-Rolle sein, um die sich manche Unternehmen regelrecht herummogeln.
Word und Excel regieren weiter
Aber auch, wenn das Unternehmen die Struktur spürbar verändert hat, kann der erhoffte Effekt ausbleiben. Insbesondere dann, wenn die Beteiligten mit alten Instrumenten arbeiten und planen. Wer in einem äußerlich modernen Newsroom mit Word und Excel plant, muss deshalb nicht zwingend scheitern. Aber es geht eine Menge Energie verloren, weil Wissen nicht geteilt wird. Vor allem bei Home Office und Hybridarbeit muss jede Information für alle jederzeit verfügbar sein. Passiert dies nicht, etwa weil es kein Planungstool gibt, kann dies schnell zu Enttäuschung im Team führen.
Der Faktor Mensch
Ein großer Stolperstein beim Aufbau eines Corporate Newsrooms ist die Ungeduld der Verantwortlichen. Nicht selten vergessen sie den Faktor Mensch, wenn sie ihre Teams auf Powerpoint-Vorlagen einzeichnen. Menschen lassen sich nur äußerst ungern hin- und herschieben. Sätze wie: „Ich möchte aber gerne mit meiner Kollegin im Büro sitzen“, können enorme Sprengkraft entfachen. Deshalb ist Zuhören wichtig. Alle Beteiligten brauchen genügend Zeit, damit sie Sorgen und Missverständnisse aus der Welt schaffen können. Die Teams sollen ja später selbst entscheiden, Verantwortung übernehmen und kreativ sein. Dann muss es aber möglich sein, dass sie vielleicht sogar eine falsche Entscheidung treffen oder gar scheitern.
4. Trends, die sich verstetigen werden
Vor einem Jahr habe ich einige Prognosen gewagt, die aus meiner Sicht auch für 2022 relevant bleiben. Ich gehe davon aus, dass Marketing und Kommunikation unter dem Dach eines Corporate Newsrooms weiter zusammenwachsen werden. Wir beobachten diese Entwicklung sehr eindeutig. Der Newsroom ist in der Lage, Marken erfolgreich zu steuern. Dazu sind professionelle Planungstools notwendig.
Dies gilt für die Arbeit im Home Office im Inland und über Ländergrenzen hinweg. Daher wird der Trend zur Internationalisierung zunehmen. Wir erleben, dass mit der Struktur des Corporate Newsrooms die einzelnen Regionen in der Welt an Bedeutung gewinnen. Themenrunden und Konferenzen werden an lokale Zeitzonen angepasst. Mentalitäten spielen eine zunehmend wichtige Rolle bei der Integration internationaler Teams.
Unternehmen werden auf diese Weise zielorientiert kommunizieren wollen. Zahlen spielen dabei eine wichtige Rolle. Dazu sind intelligente KPI vonnöten, die sich aus Zielen und Themen ableiten. Der Corporate Newsroom denkt vom Thema her, nicht vom Kanal. Unternehmen müssen wissen, wie gut die Performance ihrer Themen bei den Zielgruppen ist. Nur die Leistung der Kanäle zu messen, reicht daher nicht. Big Data ist gut, Smart Data ist besser: Unser Ziel sollte es sein, Rückschlüsse vom Kanal auf das entsprechende Thema zu ermöglichen.
Ich glaube, wir werden hier 2022 einen großen Schritt machen.
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