Erfolgskriterien für das Geschäftsmodell Omnichannel

Im Zeitalter der Digitalisierung sind Unternehmen aufgefordert, im Umgang mit Kunden flexibel und umfassend zu agieren. In seinem gemeinsam mit Rebecca Zimmermann entwickelten Omnichannel-Exzellenz-Modell zeigt Arne Westermann, wie modernes und erfolgreiches Retail-Management aussehen sollte – denn Exzellenz beginnt beim Kunden. Das Modell ist im kürzlich erschienen Buch „Konzepte und Strategien für Omnichannel-Exzellenz“ veröffentlicht worden.

Arne Westermann

Autor dieses Beitrags: Prof. Dr. Arne Westermann, Professor für Communications and Marketing an der International School of Management in Dortmund und Leiter des Brand & Retail Management Institute @ ISM.

Online- und Mobile Shopping haben massiven Einfluss auf die Customer Journey und das Informations- und Kaufverhalten der Konsumenten. Sie sind der zentrale Treiber für Wachstum im Handel. Dennoch zeigt sich, dass der stationäre Handel (zumindest in Branchen, in denen sich Produkte nicht digitalisieren lassen) nicht zwingend auf dem absteigenden Ast ist: Seine Rolle verändert sich nur. Konsumenten kombinieren die verschiedenen Vertriebskanäle und nutzen sie für unterschiedliche Zwecke. Die Anzahl der Kontaktpunkte im Rahmen der Customer Journey nimmt daher zu.

Generell sollte bei Omnichannel-Konzepten die Customer Experience im Fokus der Integration stehen. Entsprechend muss das Management der verschiedenen Kanäle so erfolgen, dass die Customer Experience in allen Kanälen identisch ist und die Kunden die verschiedenen Kanäle nach Belieben miteinander kombinieren können. Hierdurch ist der Omnichannel-Handel anderen Konzepten überlegen. Doch was bedeutet dies konkret und welche Erfolgskriterien lassen sich auf Basis der bisherigen Forschung identifizieren?

Zunächst müssen sich Omnichannel-Konzepte in der Unternehmensstrategie wiederspiegeln.  Daneben ist ein klares Bekenntnis des Top-Managements zu dem Konzept und seinen Zielen notwendig. Erst wenn ein solches Commitment vorhanden ist, können alle weiteren Maßnahmen erfolgreich sein. Auch die Unternehmenskultur muss auf Omnichannel-Aktivitäten ausgerichtet werden – denn mit Silodenken in einzelnen Abteilungen ist kein nachhaltiger Omnichannel-Erfolg denkbar. Das Gleiche gilt für die Aufbau- und Ablauforganisation: Crossfunktionale Teams stellen den Kern dar, um eine nahtlose Customer Experience zu erreichen.

Erst das Ziel, dann der Kanal

Nach der grundsätzlichen Ausrichtung gilt es, konkrete Ziele für die instrumentelle Omnichannel-Strategie abzuleiten. Auf Basis derer lassen sich anschließend die passenden Kanäle des jeweiligen Omnichannel-Konzeptes wählen. Diese sollten wiederum die jeweiligen Zielgruppenaffinitäten berücksichtigen. Noch bedeutsamer ist in diesem Zusammenhang jedoch die dezidierte Analyse der typischen Customer Journey der Zielgruppen: Wie stark beeinflussen einzelne Kontaktpunkte das Kaufverhalten?

Besteht erst einmal Klarheit über die Prioritäten der Kunden und das Zusammenspiel der Kontaktpunkte, kann die Ausgestaltung der Kanäle zielgruppengerecht erfolgen. Dem stationären Handel kommt dabei oftmals die Rolle eines Hubs zu, an dem die einzelnen Kanäle zusammenlaufen und integriert werden. Dies erfordert ein enges Zusammenspiel von Technik, Kundenberater und Kunde. Zudem können stationäre Geschäfte einen Erlebnischarakter aufweisen, um ihre Stärken gegenüber den digitalen Kanälen voll auszuspielen. Die Hub-Rolle des stationären Handels zeigt außerdem die Bedeutung der Kanalintegration, die mit Blick auf alle zentralen Marketing- und Vertriebselemente erfolgen sollte.

So müssen der Markenauftritt und die Markenkommunikation konsequent aufeinander abgestimmt sein. Auch der Service muss kanalübergreifend funktionieren, denn viele Kunden sehen es zunehmend als selbstverständlich an, Produkte online zu kaufen und im physischen Store zurückzugeben. Gleiches gilt für die Sortimente und die Preisstruktur, die kanalübergreifend identisch sein sollten. Ausnahmen sind in diesem Kontext nur bei spezifischen Gründen sinnvoll: beispielsweise wenn ein sehr breites Sortiment besteht, dass nur online komplett verfügbar ist.

Keine Omnichannel-Exzellenz ohne IT-Exzellenz

Das Rückgrat aller Omnichannel-Konzepte bilden IT-Konzepte und -Prozesse. Nur wenn Front- und Backend integriert arbeiten und alle Kanäle auf die gleichen Datenbestände zugreifen können, ist es möglich, eine nahtlose Customer Experience zu realisieren. Daher ist die Bereitstellung einer entsprechenden IT-Infrastruktur eine notwendige Voraussetzung für Exzellenz.

Zuletzt müssen auch die Vergütungsstrukturen so ausgerichtet sein, dass sie Silodenken nicht honorieren, sondern dem Omnichannel Gedanken-Rechnung tragen. Mitarbeiter, die für einen Kanal zuständig sind, der nachweisbar Informations- aber nicht Kaufmedium ist, sollten nicht schlechter gestellt werden, als Mitarbeiter, die einen Kanal verantworten, der primär für den Kauf genutzt wird. Geschieht dies nicht, verstärkt die Omnichannel-Strategie bloß das Silodenken. Folglich muss es auch in der Evaluation und dem Controlling Veränderungen geben. Leitend ist dabei folgende Frage: Welcher Kanal hat in welcher Phase die Kaufentscheidung in welcher Form beeinflusst? Für die Beantwortung ist es daher entscheidend, das Kundenverhalten regelmäßig auszuwerten und zu analysieren.

Auf Basis all dieser Informationen ist es abschließend möglich, den Erfolg und damit die Leistung der einzelnen Kanäle zutreffend – und aus Sicht der verantwortlichen Mitarbeiter gerecht – zu beurteilen.

 

 

Zu den Personen:

Prof. Dr. Arne Westermann ist Professor für Communications and Marketing an der International School of Management in Dortmund (ISM) und Leiter des Brand & Retail Management Institute @ ISM, einem hochschuleigenen Kompetenzzentrum für Forschung in den Bereichen Markenmanagement und Handel. In seinem neuen, gemeinsam mit Audrey Mehn und Ingo Böckenholt veröffentlichten Buch „Konzepte und Strategien für Omnichannel-Exzellenz“ vereint Arne Westermann Beiträge zur Omnichannel-Theorie mit Best-Practice-Darstellungen für innovatives Retail-Marketing.

Rebecca Zimmermann, M.Sc., ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Brand & Retail Management Institute @ ISM.