„Qualitativ hochwertige Sprache ist die Basis für ein hochwertiges Produkt“

Autor: Konstantin Holtkamp, mediamoss

Im Ausland tätige Unternehmen müssen ihre Kommunikationsstrategien anderen Kulturen anpassen. Wir haben mit Gilmar Wendt gesprochen, der mit seiner Londoner Unternehmensberatung GW+Co einzigartig positioniert ist. Er hilft deutschsprachigen Unternehmen bei der Kommunikation in der britischen Geschäftskultur.

Gilmar Wendt

Was muss ein mittelständisches Unternehmen beachten, bevor es ins Ausland expandiert?

Zunächst gilt es, die kulturellen Unterschiede zu berücksichtigen. Nicht nur im Geschäftsleben, sondern auch im Alltag. Das deutsche Wesen wird meist als direkt wahrgenommen. Briten finden dies häufig unterhaltsam, jedoch kann es auch als unhöflich empfunden werden. Verstehen Sie die Kultur, nicht nur die Sprache.

Berücksichtigen Sie den lokalen Markt. Oftmals expandieren Unternehmen vor dem Hintergrund eines lokalen Ansprechpartners oder eines Vertriebsleiters, der in einem Land erfolgreich ist. Expansion bedarf jedoch viel Vorsicht und genauer Planung. Sie sollten sich fragen: Ist der neue Markt strategisch eine gute Wahl? Was genau weiß ich wirklich über ihn?

Überlegen Sie sich genau, welche Partner Sie wählen. Kennen Sie den Markt wie ihre eigene Westentasche? Stellen Sie sicher, dass Sie eine Geschäftsbeziehung mit jemandem eingehen, der sowohl Ihre Kultur als auch die lokale Kultur versteht. Das wird Ihnen Zeit einsparen.

Bedenken Sie, dass Ihre derzeitige Positionierung im heimischen Markt in einem anderen Markt nicht funktionieren könnte. Besonders häufig passiert dies Unternehmen aus dem Mittelstand, aber auch großen Unternehmen kann dies widerfahren. Denken Sie an unglückliche Expansionen wie die von Tchibo nach Großbritannien, Marks & Spencers nach Frankreich und Deutschland oder Walmart nach Deutschland.

Wie sollte eine zukunftsfähige Markenstrategie für das Ausland aussehen?

Das ist eine interessante Frage.

Zunächst müssen Sie Ihre Positionierung im neuen Markt festlegen. Beginnen Sie damit, zu überlegen, was Menschen von Ihrem Unternehmen vermuten. Es gibt viele Vorurteile über Deutsche. Die positiven entstehen durch perfekte Organisation, hervorragende Ingenieurskunst und hohe Vertrauenswürdigkeit. Die negativen stellen unseren Geschmack, unsere Kreativität, unseren Modegeschmack und unseren Humor in Frage. Das sind zwar nur Klischees, jedoch sind sie tief in den Köpfen der Menschen verwurzelt. Marken – wie Comedians – können sich ihre „Deutschheit“ zu Nutze machen. Die meisten Engländer können die Worte: „Vorsprung durch Technik“ sagen, ohne zu wissen, was sie bedeuten.

Kennen Sie Ihr Ziel. Wollen Sie eine deutsche Stimme auf einer internationalen Bühne sein oder eine internationale Stimme mit deutschen Wurzeln? Wollen Sie überhaupt, dass ihre Nationalität mit in Ihre Markenidentität einfließt?

Führen Sie eine ausführliche Marktforschung durch. Sie muss nicht riesig sein. Es geht eher darum, qualitative Befragungen mit Personen durchzuführen, die für Ihre Branche wichtig sind – und das eigene Geschäftsumfeld durch einige Geschäftsreisen kennenzulernen. Wenn Sie ein lokales Unternehmen akquirieren, achten Sie darauf, den dazugewonnen Angestellten zuzuhören. Denn sie sind Ihre beste Quelle für Erkenntnisse und Wissen rund um den lokalen Markt.

Danach sollten Sie klein anfangen, möglicherweise mit einem Testgeschäft oder einer Kampagne, um zu experimentieren und zu lernen.

Ohne respektlos zu wirken: Wenn Sie nach Großbritannien kommen, denken Sie daran, dass es weiterentwickelt ist als Deutschland. Beim Branding geht es nicht mehr nur um die konsequente Anwendung eines Identitätssystems. Es geht um die Geschlossenheit des Lebensgefühls, nicht um die Einheitlichkeit des Stils.

Vor kurzem haben wir ein Employer-Branding-Konzept für einen großen deutschen Konzern erstellt. Es ging um ein neues, agiles und internationales Geschäftsfeld, das als Veränderungsträger für das Unternehmen fungieren sollte. Die deutsche Mentalität ist äußerst starr. Deswegen mussten wir hart daran arbeiten, sie zu überzeugen, uns außerhalb der bestehenden Markenrichtlinien bewegen zu dürfen.

Wir handhaben es mit Markenrichtlinien wie mit dem Erstellen von Rezeptbüchern – sie ermöglichen internen Teams, sich kreativ zu fühlen. Damit Unternehmen in neue Märkte hineinwachsen, schaffen wir liebenswerte Systeme, die Mitarbeiter genauso von der Reise begeistern wie das Management.

Welche Kommunikationskanäle sind besonders geeignet für die Positionierung eines ausländischen Unternehmens?

Ich glaube nicht, dass ich das beantworten kann, ohne das genaue Unternehmen und dessen Umfeld zu kennen.

Wer ist das Unternehmen? Was verkauft es? Ist es im Groß- oder Einzelhandel tätig? Ist es eine Dienstleistung oder ein Produkt? Ist es günstig oder hochwertig? Am wichtigsten jedoch: Wählen Sie die Kanäle, die für die Zielgruppe und die erwünschten Ergebnisse am relevantesten sind.

Außerdem muss die Sprache stimmen. Vor kurzem waren wir an der Konzeption einer digitalen Kampagne für ein Spitzenprodukt eines in Deutschland ansässigen Unternehmens beteiligt. Als Lead-Kreativagentur erstellten wir Konzepte auf einem hohen Niveau und unterwiesen die lokalen Agenturen mit Beispielen, wie die Umsetzung aussehen könnte. Dann sahen wir die von Ihnen entworfenen Elemente, geschrieben in schlechtem Englisch. Ein hochwertiges Produkt darf nicht mit schlechter Sprache präsentiert werden. Wenn man sich auf den lockeren Social-Media-Kanälen bewegt, ist die richtige Sprache lustigerweise noch schwerer zu treffen.

Welche Risiken existieren für ein ausländisches Unternehmen in Bezug auf die Kommunikationsarbeit in einem anderen Land und in einer fremden Kultur? Welche Fehler sollten unbedingt vermieden werden?

Seien Sie nicht ignorant:
Wenden Sie Ihr eigenes Denken nicht auf einen Markt an, dessen Details Sie nicht kennen, ohne vorher einige Tests zu machen. Viele Unternehmen sind sich über die lokalen Feinheiten in ihren Heimatmärkten im Klaren, scheren die neuen allerdings alle über einen Kamm. Jeder Deutsche kennt die Unterschiede zwischen Bayern und Schwaben. Aber kennen Sie die Unterschiede zwischen Schotten, Walisern und Engländern?

Unterschätzen Sie nicht die Unterschiede:
In Großbritannien funktionieren viele Geschäfte über Beziehungen. Als erstes baut man eine persönliche Beziehung auf und bekommt danach die Möglichkeit abzuliefern (und Sie werden abliefern müssen). In Deutschland ist häufig das Gegenteil der Fall. Man muss sich zu erst beweisen bevor man den Auftrag erhält.

Erwarten Sie nicht, dass ihre Positionierung und ihre Botschaften einfach übernommen werden können:
Deswegen brauchen Sie einen bikulturellen Partner. Kennen Sie den lokalen Markt und die Positionierung der Konkurrenten. Gehen Sie nie davon aus, dass der Markt Ihrem Heimmarkt identisch ist.

Lidl hat es endlich geschafft, in Großbritannien Fuß zu fassen – und nicht, weil ihre Produkte so günstig sind, sondern weil die Käufer so smart sind. Die Werbung bedient sich an britischem Humor und nutzt Wortspiele, sie fühlt sich überhaupt nicht „deutsch“ an. Lidl’s britische Fans könnten es sich sicher erlauben, in einem High-End-Bio-Markt einzukaufen.

Wenden Sie nicht nur Ihre eigenen Erwartungen auf eine andere Kultur an:
In Großbritannien ist es einfach, ein Meeting zu bekommen. Jeder wird Ihnen versichern, sich bei Ihnen zu melden. Erwarten Sie nicht, dass dies geschieht – hier geht es nur um Höflichkeit.

Wenn es um Digitales geht, sind Briten weniger um ihre Privatsphäre besorgt. Deswegen ist Social Media auch so beliebt. Ich denke in Deutschland ist das grundlegend anders. Die verschiedenen Kanäle lassen sich aus diesem Grund hier auch mit anderem Content bespielen.

Was sind die Hauptprobleme, mit der ausländische Unternehmen in Großbritannien am häufigsten konfrontiert werden?

Die meisten Probleme habe ich mittlerweile wohl thematisiert. Sie sollten Ihr Unternehmen als Immigranten wahrnehmen. Das bedeutet, es gibt einen Immigrationsprozess. Sie müssen sich anpassen, ohne die Unternehmensidentität zu verlieren. Aber Sie werden sich auch verändern.

Finden Sie Freunde und Partner, die Ihnen helfen, sich einzuleben und neue Kontakte zu knüpfen.

Großbritannien ist ein hervorragender Ort, um Geschäfte abzuschließen. Hier sind Menschen gewillt, Ihnen zuzuhören und Ihren Ideen eine Chance zu geben. Zu Beginn kam ich nur für ein Jahr und fast zwanzig Jahre später bin ich immer noch hier – mit einer Familie, einem Geschäft und einem Haus mit Garten. Ich habe es nie bereut!

GW+Co

Über Gilmar Wendt:

Gilmar Wendt ist Geschäftsführer der 2010 gegründeten, preisgekrönten Markenberatung GW+Co.

GW+Co hilft ambitionierten Unternehmen, ihre Branchen durch strategische Beratung, Markenbildung, digitales Design und Employer Branding herauszufordern. Als eine führende B2B-Markenberatung gehören die Zusammenarbeit mit Familienunternehmen und Großkonzernen zu den Kernkompetenzen. Darüber hinaus ist GW+Co als deutsch geführtes Team, bestehend aus europäischen Kreativen und Strategen, mit Sitz in London einzigartig positioniert, um deutschsprachige Unternehmen bei der Kommunikation in der britischen Geschäftskultur zu unterstützen.

GW+Co’s internationale Kunden umfassen PayPal, die Ergo Gruppe, die Bank of Tokyo, Mitsubishi UFJ sowie Familienunternehmen wie die Zumtobel Gruppe (Beleuchtung) und die BGL Gruppe (Versicherungen).

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